Prisoner X
#10 Catfish – Part IV
Der letzte Beitrag meiner Catfish-Serie widmet sich einem Ereignis, über das ich mich auch nach einiger Zeit immer wieder amüsieren kann. Schließlich ist doch alles lustiger, wenn es einem anderem passiert, oder nicht? Bevor ich in die Geschichte einsteige, sollte ich ein paar Hintergrundinformationen dazu liefern.
Ein allen Häftlingen gemeinsamer Zeitvertreib ist das Glücksspiel. Wir wetten einfach auf alles. Ich spreche nicht nur von Football, Baseball, Basketball, Fußball, Tennis, Autorennen, Boxen, Mixed Martial Arts und anderen Sportarten, für die Buchmacher in Las Vegas Quoten anbieten. Gefängnisinsassen schließen Wetten ab über Liedtexte, Filmrollen, das Alter, die Größe oder das Gewicht einer Schauspielerin, darüber, in welche Richtung ein Vogel fliegen wird oder auch, ob es am nächsten Tag regnen wird. Nichts ist zu trivial, um darüber Wetten abzuschließen und endlos darüber zu diskutieren.
Die Einsätze sind dabei sehr unterschiedlich. In einigen Fällen wird um Geld gewettet, oder was auch immer gerade als Währung genutzt wird, beispielsweise Briefmarken, Zigaretten oder Schokoriegel. Die meisten Häftlinge sind jedoch dauerhaft knapp bei Kasse. Hinzu kommt, dass es von weitaus größerer Bedeutung ist, den Verlierer in eine missliche Lage zu bringen und lächerlich zu machen, als tatsächlich etwas von Wert zu gewinnen. Viele Wetten nehmen einen fast bizarren rituellen Aspekt an. Der Verlierer von Quak-Quak's muss in die Hocke gehen und wie eine Ente watscheln, während er mit den Armen wackelt und ruft: „Quak, quak, ich bin eine Ente, ich kann keine Wette machen, die einen Sch*** wert ist.“ Wetten der Gattung Jane Fonda‘s erfordern einen Versuch, sich dem Aerobic-Training der Schauspielerin anzunähern, während Michael Jackson's den Verlierer zu einer Nachahmung der Tanzbewegungen des Sängers zwingen, inklusive Moonwalk und „Woo!“-Ruf. Beim Einsatz von Esel-Tritten muss der unglückliche Verlierer auf alle Viere gehen, die Füße in die Luft treten und die vereinbarte Anzahl von „Iiiii Aaaa’s“ schreien. Ein paar waghalsige Spieler wetten manchmal auf nackte Esel-Tritte, obwohl der Verlierer in diesem Fall normalerweise keinen zweiten Versuch unternimmt.
Sagen wir einfach, dass der Verlierer einer Wette ein erhebliches Maß an Demütigung erleidet, und als solches ist das Wetten im Gefängnis eine sehr große Sache.

Nun zu der Geschichte, die ich eigentlich erzählen wollte. Vor ein paar Jahren wurde einer meiner Nachbarn über eine für Häftlinge entwickelte Webseite von einer Frau kontaktiert. Nach kurzer Zeit wurde sie schließlich seine feste Freundin und er hatte sich Hals über Kopf in sie verliebt. Er prahlte ununterbrochen mit ihr und scheute sich nicht, alle Fotos, die sie von sich selbst schickte, herumzuzeigen. Außerdem schwärmte er des Öfteren von ihrem gemeinsamen Telefon-Sex. Da ich hier von einem zutiefst rassistischen und homophoben Individuum spreche, war er ohnehin schon kaum auszuhalten. Doch als dann noch diese Frau hinzukam, wurde er gänzlich unerträglich und raubte jedem den letzten Nerv.
Für mich genügte ein kurzer Blick auf die Fotos, um schlussfolgern zu können, dass er einer Täuschung aufgesessen war und gerade gecatfisht wurde. Diese attraktive Frau, mit einem lächerlich üppigen Dekolleté schickte buchstäblich hunderte von Bildern, jedes einzelne in einem anderen Outfit. Ich würde alleine die Kosten der Dessous auf über 100.000 Dollar schätzen. Da sie nicht behauptete, ein Model zu sein, sondern als Kassiererin bei Walmart zu arbeiten, bezweifelte ich ernsthaft, dass sie eine solche Garderobe besitzen würde.
Er verteidigte sie lautstark und bestand darauf, dass sie sich wohl aufgrund von Mitarbeiterrabatten all dies leisten könne. Als ich ihm anbot, für einen Online-Bildabgleich zu zahlen – ein Service, den manche Firmen Häftlingen anbieten -, lehnte er ab. Keine Stichelei und kein Argument konnten ihn dazu bringen, sie zu überprüfen. Erst als ich mich auf das heilige Ritual der Wette berief, war er schließlich (mit großem Widerwillen) bereit, eines ihrer Fotos herauszugeben, um es für einen Bildabgleich zu verschicken.
Seine "Freundin" entpuppte sich als Pornostar, mit dem Namen Next Door Nikki. Selbst angesichts dieses Ergebnisses versuchte er anfangs, sich an die Fiktion zu klammern, dass es dennoch wirklich sie war, und sie sich nur schämen würde, ihm gegenüber ihren wahren Beruf zu offenbaren. Als die Recherchen dann schließlich ergaben, dass die echten Namen, Adressen und Altersangaben nicht zusammenpassten, gab er letzten Endes auf.
Als er sie schließlich damit konfrontierte, stellte sich heraus, dass es sich bei seiner „Freundin“ um einen schwarzen Mann in den 50ern handelte. Hätte ich das Ganze arrangiert, nur um ihm so richtig eins auszuwischen, hätte ich mir kein besseres Resultat wünschen können! Der Mann entschuldigte sich und bat, die Beziehung dennoch fortzusetzen, was die Sache für meinen Nachbarn noch schlimmer zu machen schien. Er lehnte ab, ließ sein Profil von der Webseite nehmen und hat seitdem nie wieder ein neues erstellt. Ab und zu frage ich immer noch nach, wie es Nikki geht und ob sie kürzlich Telefonsex hatten, aber er antwortet mir nie. (Ich frage nur, weil ich so ein netter Kerl bin, ehrlich!!).
Jetzt, wo ich drüber nachdenke – er schuldet mir immer noch seine Quak-Quak‘s!
Links zu den anderen Beiträgen der Serie "Catfish": #7 Catfish - Part I